Die Vorgeschichte
Ein 23jähriger Medizinstudent stellt sich im Rahmen eines Schilddrüsen-Ultraschallkurs für die anderen Studenten zur Verfügung. Vorerkrankungen der Schilddrüse waren bisher nicht bekannt. Jedoch fällt dem untersuchenden Studenten eine sonomorphologische Veränderung der Schilddrüse auf. Hier sind die Bilder, die mit dem Ultraschallgerät aufgenommen wurden
(Abb.1: Querschnitt; Abb.2: Längsschnitt):
Frage1:
Welche Strukturen kann man auf den unten stehenden Bildern erkennen? Welche pathologische Veränderung findet sich hier? [Lösung siehe unten]
Der nun etwas verunsicherte Student fragt den Kursleiter, wie er diese Schilddrüsenveränderung einschätzen soll. Daraufhin führt der Kursleiter eine systematische und komplette sonographische Untersuchung der Schilddrüse und der Lymphabflusswege des Halses durch. Hierbei zeigten sich keine weiteren pathologischen Auffälligkeiten der restlichen Schilddrüse, das Schilddrüsenvolumen wird mit 18mL bestimmt, keine pathologisch konfigurierten Lymphknoten. Die Größe des Knotens wird mit 14,7mm x 9,2mm x 15mm gemessen.
Frage2:
Was könntet ihr als Kursleiter dem Studenten auf Grund des Alters, Anamnese und dem sonographischen Befund prognostisch (maligne vs. benigne Veränderung) sagen? [Lösung siehe unten]
Auf Empfehlung des Kursleiters stellt sich der Student bei einem Internisten vor, um das Ergebnis der SD-Sonographie bestätigen zu lassen. Der Internist erhebt ohne größere Abweichung denselben sonographischen Befund.
Frage3:
Wie würdet ihr als verantwortlicher Internist die weitere Diagnostik durchführen? Ist eine weitere Abklärung überhaupt nötig? [Lösung siehe unten]
Die Laborwerte für die Schilddrüse sind normwertig. Im „informed consent“ entscheidet sich der Internist den Studenten bei den Nuklearmedizinern zur Durchführung einer Schilddrüsen- Szintigraphie vorzustellen. Das Ergebnis ist in untenstehender Abbildung zu sehen:
Frage4:
Wie muss man das Szintigraphiebild hier interpretieren? [Lösung siehe unten]
Somit besteht nun die Diagnose eines kalten SD-Knotens im linken Schilddrüsenlappen in einer Größe von 14,7mm x 9,2mm x 15mm.
Frage5:
Welches weitere Vorgehen würdest du dem Studenten empfehlen? [Lösung siehe unten]
Der Student entscheidet sich für eine operative Entfernung des „kalten Knotens“. Glücklicherweise stellte sich schon in der Schnellschnittuntersuchung kein malignitätsverdächtiger Befund dar, sodass die Operation sich auf die Hemithyreoidektomie links beschränkt. Das endgültige histologische Ergebnis beschreibt einen regressiv veränderten zellarmen Schilddrüsenknoten mit zystischen Veränderungen, älteren Einblutungen und eine Bindegewebsvermehrung. Somit ist ein Schilddrüsenkarzinom vom Tisch. In der Nachbehandlung sollten die Schilddrüsenlaborparameter kontrolliert werden, um eine postoperative Hypothyreose frühzeitig zu erkennen.
Lösung 1:
Querschnitt: Hier erkennt man ganz ventral (also oben im Bild) die Haut, darunter als echoarme Struktur den M. sternocleidomastoideus. Die zwei annähernd kreisrunden schwarzen (= echofreien) Strukturen sind ventral die V. jugularis und direkt darunter die A. carotis. Zentral im Bild ist der linke SD-Lappen, der in diesem Fall inhomogen zur Darstellung kommt. Ganz links im Bild ist ein Anschnitt der Trachea. Eine detaillierte Bildbeschreibung der gesunden Schilddrüse findet ihr hier: [LINK]
Lösung 2:
Eine 100% klare Aussage lässt sich hier nicht treffen. Nur die komplette histologische Aufarbeitung des Knotens kann ein Malignom ausschließen. Auch das junge Alter des Patienten ist kein Ausschlusskriterium für ein Malignom; der Alterspeak für das papilläre Schilddrüsen-Karzinom liegt im Studentenalter bei 20-30 Jahren! Nun gilt es für eine orientierende prognostische Aussage, die Malignitätskriterien den Kriterien für Benignität gegenüberzustellen: Für Benignität spricht, dass die SD-Raumforderung einen „Halo“ aufweist, was in der Schilddrüse eher für ein Adenom spricht (nicht zu verwechseln mit dem „Halo“ in der Leber, was für Lebermetastasen typisch ist). Für Malignität könnte das unifokale Auftreten der Läsion sprechen und der Größendurchmesser > 10mm. Zu beachten ist, dass in Schilddrüsenraumforderungen Verkalkungen (hier nicht vorhanden) auch keinen Malignitätsausschluss darstellen, da auch SD-Karzinome verkalkte Areale aufweisen können.
Lösung 3:
Die Einschätzung und weitere Diagnostik ist nicht leicht, macht dieses Feld aber auch spannend. Eine Möglichkeit wäre die Kontrolle der Schilddrüsenlaborparameter (TSH, fT4, ggf. fT3) und die weitere Verlaufskontrolle mittels Sonographie. Da jedoch ein Malignom nicht sicher ausgeschlossen werden kann und die Raumforderung > 10mm groß ist, raten die Empfehlungen, zur weiteren Abklärung eine Technetium-Pertechnetat-Szintigraphie durchzuführen. Abhängig von dem Ergebnis dieser nuklearmedizinischen Untersuchung wird das weitere Vorgehen geplant.
Lösung 4:
Hier ist das Bild einer Schilddrüsen-Szintigraphie gezeigt. Hierbei nimmt die Schilddrüse den radioaktiv markierten „Tracer“ auf und gibt Gamma-Strahlen ab, die mit einer speziellen Gamma-Kamera detektiert werden. Stoffwechselaktive Bereich (Autonomes Adenom, Schilddrüsenautonomie, M. Basedow) reichern dabei eine höhere Konzentration des radioaktiv markierten Tracers an; stoffwechselinaktive Bereiche (degenerierte Knoten, Schilddrüsen-Karzinome, Schilddrüsen-Zysten) dagegen weniger. Rot entspricht einer kräftigen Anreicherung, blau einer geringen Anreicherung. Somit fällt im Seitenvergleich auf, dass der linke Schilddrüsenlappen basal vermindert anreichert, hier ist ein sogenannter „kalter Knoten“. (Beachte, dass bei radiologischen Bildern links und rechts vertauscht werden!)
Lösung 5:
Kalte Knoten sind malignitätsverdächtig. Somit bestehen nun zwei Möglichkeiten: Zum Malignitätsausschluss kann man einerseits eine Feinnadelpunktion durchführen, oder primär den linken Schilddrüsenlappen operativ entfernen. Bei der Operation wird intraoperativ eine Schnellschnittuntersuchung durchgeführt, deren Ergebnis dann über die Radikalität der weiteren OP entscheidet.
(Fall erstellt von Bernhard Bailer)